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Mein Abschied von Insta

Gestern Abend habe ich Instagram von meinem Handy gelöscht. Einfach so. Ich hatte mich kurz vorher noch in eine Diskussion in einer Kommentarspalte verstrickt. Es ging dort weder fies noch diskriminierend zu, trotzdem war ich genervt. Weil jeder schrieb: „Also bei uns war das so, dass…“ und „Sehr wichtig! Ich finde, das sollte jede Frau…“ und „Ich habe auch lange gebraucht, um zu verstehen, dass…“.

Ich muss nicht jedes Vereinbarkeits-Modell kennen

Es sind einfach nur verschiedene Lebensmodelle, die bei Insta geteilt werden. Aber alle sind der Meinung, dass sie das richtige Modell fahren. Und wisst ihr was? Eigentlich ist es mir egal, wie fremde Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf regeln. Ob sie arbeiten gehen, ob ihr Mann arbeiten geht, wie auch immer. Ich traue sowohl den anderen Frauen als auch mir selbst zu, dass sie sich darüber Gedanken gemacht haben, wieso sie sich für welches Modell entschieden haben. Aber nicht jeder Gedanke ist für mich wichtig. Und manchmal kommt es mir so vor, als wenn ich meine eigene Meinung verlöre, wenn ich zu viele (ähnliche) Meinungen von anderen lese. Dass ich andere nachahme, statt mir selbst zuzuhören. „Ich bilde mir halt eine Meinung, indem ich viele Meinungen lese“, argumentiere ich. Aber das stimmt nicht. Ich lese die Meinungen in meiner Social-Blase. Und vergesse darüber manchmal, dass man kein schlechter Mensch ist, wenn man eine andere Meinung hat. Oder diese womöglich auch mal ändert, von Zeit zu Zeit.

Jeden Tag Position beziehen – das ist anstrengend

Ich tausche mich gern mit Freunden und Familie aus. Ich lese gern politische und feministische Texte in großen Medien, um mir eine Meinung zu bilden. Aber ich muss nicht von 40 Frauen ihre Meinung und ihre individuellen Lösungen der Vereinbarkeitsproblematik lesen. Je mehr ich auf Insta rumhänge, desto mehr Druck verspüre ich. Vor allem, wenn ich kritisch bin und nicht jedes Posting, was durch die Feministinnen-Blase wabert, abfeiere und innerhalb von 30 Sekunden auch in meiner Story teile. Und es ist auch ätzend, wenn ich es doch teile und abfeiere und erst später, im Gespräch mit Freunden oder meinem Partner, merke, dass doch nicht alles so unkritisch ist. Ich bin genervt davon, dass ich mir ständig Gedanken machen muss, wieso dies oder jenes jetzt ein doofes Gefühl in mir auslöst. Weil ich fehlbar bin und mich erwischt fühle? Oder weil manche Sachen wirklich zu kurz gedacht sind? Ich muss ständig, täglich, stündlich überlegen, wie ich mich innerlich zu Aussagen anderer positioniere und ob ich diese Position jetzt auch bei Insta teilen muss. „Das gehört nun mal zum Selbstfindungsprozess dazu“, könnte man sagen. „Denken hilft“, könnte man argumentieren. „Feminismus hat viel mit Selbstreflexion zu tun“, könnte man meinen.

Druck von Fremden? Stop!

Aber wisst ihr was? Ich möchte MEINE Geschwindigkeit finden, mir Gedanken zu machen. Ich will nicht tagtäglich mit Sprüchen, Artikeln und Meinungen zugeballert werden. Ich möchte nicht täglich belehrt werden. Ich will nicht, dass fremde Menschen in mir Druck verursachen. Für mich ist das Stress. Und Stress ist gefährlich. Neben den „ernsten“ Postings von wahnsinnig klugen Frauen sind da ja auch noch die „leichten“ Beiträge: beneidenswerte Reisen, schöne Menschen, coole Karriere. Das nimmt den Druck nun auch nicht unbedingt raus, wenn einem gerade im Januar/Februar mit Dauerschnupfen die Decke auf den Kopf fällt. Und vom Thema Nachhaltigkeit will ich gar nicht erst anfangen. Wer genug Zeit und Nerven dafür hat, go for it, danke dafür. Aber ich bin gerade (noch) nicht soweit, mich damit so richtig zu beschäftigen. Ich hab genug Baustellen, es geht nicht alles auf einmal. Und dafür möchte ich mich nicht ständig rechtfertigen, auch wenn es nur innerlich vor mir selbst ist.

Und dann hab ich es einfach gemacht. Den Finger lange auf das App-Symbol gehalten, „App löschen“ gedrückt und bestätigt. Das war’s. Plötzlich war Ruhe auf dem Handy, Ruhe im Kopf. Das war ja einfach.

Dann werde ich jetzt also keine Influencerin mehr. Tja. Schlimm? Nö. Jetzt sehe ich auch nicht mehr, was meine Freundinnen und Freunde so treiben, welche Konzerte sie besuchen, welche Reisen sie machen und was ihnen Lustiges/Bewegendes im Alltag passiert ist. Schlimm? Nö. Denn meine echten Freunde werden mir das schon auf anderem Wege mitteilen. Womöglich setzt man sich mal wieder zusammen und guckt gemeinsam Reisefotos. Bei einem Glas Wein. Und spricht miteinander, wie früher. Von mir aus auch gern über Feminismus, Nachhaltigkeit und Lebensentwürfe.

P.S.: Der Vollständigkeit halber noch der Hinweis: Das ist MEINE Meinung. Ich weiß, dass ganz viele Menschen Instagram als Segen empfinden, als Fenster zur Welt, als Möglichkeit der Vernetzung, Zerstreuung und Meinungsbildung. Wenn es sich gut anfühlt, ist das fantastisch. Ich habe nur für mich gemerkt, dass es das momentan nicht tut. Das ist MEIN Ding. Für diesen Moment. Das muss nicht DEIN Ding sein. Und vielleicht bin ich in ein bis zwei Monaten auch wieder anderer Meinung. Ich schreibe diesen Text nur, um anderen, denen es vielleicht auch so geht, Mut zu machen, ihren eigenen Weg zu finden.

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