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Der Bachelor: Soll ich lachen oder weinen?

Der Bachelor RTL
Foto: MG RTL D / Tom Clark

Es geht wieder los: Der Bachelor ist zurück! Dieses Mal in Form von Daniel Völz, 32, Immobilienmakler. Und ja, ich gebe zu, auch ich schaue mir diesen Quatsch an. Ernst nehme ich davon allerdings gar nichts. Weder die Frauen, noch den gecasteten Junggesellen.

Stolz? Selbstachtung? Wer braucht das schon!

Bachelor Mädel Bikini am Strand
Foto: MG RTL D / Arya Shirazi

Die Frauen haben ihre Selbstachtung in dem Moment abgegeben, in dem sie mit einem Kilo Make-up und viel zu engen Kleidern in der Limousine saßen, den Mann im Anzug durchs Autofenster sahen und in sehr unangenehm hohen Tonlagen juchzten: „Oh mein Gott, was für ein Mann!“. Oh, Mädels, wirklich? Seid ihr so verloren in dieser Welt, dass ihr darauf hofft, dass der wunderschöne Prinz in Form des gecasteten Bachelors für euer Seelenheil sorgt? Come on. Verlieben ist etwas Wundervolles. Doch niemand nimmt euch ab, dass ihr wirklich bei dieser Show nach der großen Liebe sucht. Wenn ihr euch selbst vermarkten und groß rausbringen wollt, den Bachelor als Sprungbrett für die Medien-Karriere seht, dann überlegt euch auch, was für eine Karriere das sein wird. Dschungelcamp, Perfektes Promi-Dinner, Einladungen zu ein paar Z-Promi-Events. Dort könnt ihr euch wahrscheinlich mit Influencerin Caro Daur, Instagram-Sternchen Lena Meyer-Landrut, Nacktmodel Micaela Schäfer und den anderen Ex-Bachelor-Kandidatinnen ablichten lassen kann. Wow! Und dafür habt ihr einen schleimigen Makler vor einem Millionenpublikum geknutscht, seid im Bikini vor der Kamera entlang gewackelt und habt ganz lasziv-unschuldig mit den Fake-Lashes geklimpert. Ernst nehmen kann man euch zwar nie mehr, aber hey, toll gemacht, da habt ihr euch die „Karriere“ als „It-Girl“ wirklich verdient. Räkelt euch gern noch weiter am Strand im Bikini und zeigt, das Frauen vor allem Sexobjekte sein sollten, um Männern zu gefallen und Erfolg zu haben. Tolle Vorbild-Funktion.

Daniel, oh Daniel...

RTL Der Bachelor Alle Frauen
Foto: MG RTL D / Tom Clark

Und dann der neue Bachelor. Daniel. Ein klassischer Makler. Gut angezogen, eine etwas zu schleimige Frisur, ein etwas zu aufgesetztes Lächeln und der Charme eines... nun ja, Verkäufers. Er suche angeblich wirklich die große Liebe, behauptet er wie schon jeder Bachelor vor ihm. Und wenn er so daher redet, wirkt er sogar ganz okay. Ein bisschen schleimig, ein bisschen bossy, aber irgendwie gebildeter als die ihn anhimmelnden Damen. Ich habe mich gefragt, woran das liegt. Schließlich habe ich herausgefunden: Er kann ein „ch“ aussprechen, ohne daraus ein „sch“ zu machen. „Ich“ statt „Isch“. Ein echtes Phänomen. Die Mädels sagen nicht: „Ich finde ihn richtig nett, echt“, sondern „Isch finde ihn rischtig nett, escht.“ Woher kommt das? Wollen sie sich vielleicht selbst zum Schweigen bringen, wenn sie sich mal selbst zuhören? Schhhh, Ruhe jetzt. Daniel kann das „ch“ noch. Hurra, Daniel. Ansonsten findet er beispielsweise Svenja beim Einzeldate „optisch hammer“. Dass das Gespräch zwischen den beiden fad dahinplätscherte, schien ihn bei dem engen Top seines Dates egal zu sein. Also so richtig gebildet und sich total im Klaren darüber, worauf es einem Mann von 32 Jahren in einer Beziehung ankommen sollte, ist er dann wohl doch nicht.

Wieso tu ich mir das an?

Bachelor RTL
Foto: MG RTL D / Arya Shirazi

Ja, wieso schau ich mir diesen Unsinn denn eigentlich an? Es ist eine Mischung aus der Faszination der Einfachheit, dem Versuch, das Storytelling und das Casting zu durchschauen (die Zicke bleibt immer dabei, damit es genügend Streit gibt! Zwei Lager bilden sich unter den Mädchen! Es wird gelästert!) und natürlich die eigene Abgrenzung von diesem Format. Der Bachelor stellt die Menschen nicht auf die gleiche Weise bloß wie beispielsweise „Schwiegertochter gesucht“ oder „Deutschland sucht den Superstar“. Es ist irgendwie alles ein bisschen „normaler“, aber dennoch unendlich klischeehaft.

22 Frauen verzehren sich nach einem erfolgreichen Mann. Ich dachte eigentlich, dass das moderne Frauen- und Männerbild inzwischen deutlich weiter ist. Wenn RTL junge Menschen weiterhin so brainwasht, werden Mädchen weiterhin denken, dass sie vor allem schön / ein Sexobjekt sein und dem Idealbild des Mannes entsprechen müssen, und Jungs, dass sie mit Geld und einem gut sitzenden Anzug jede Frau haben können, die sie wollen.

Durch das Anschauen solcher Formate wird wieder klar, wieso das verstaubte Rollenbild in unserer Gesellschaft immer noch so viel Platz findet. Wir sollten medienkritisch hinschauen, hinterfragen und jungen Menschen erzählen, dass das, was sie da sehen, kein Vorbild sein kann. Eigentlich sollte es eine Vorab-Warnung geben: Nur, wer die Show mit gesundem Abstand anschauen und als unterhaltsam-absurden Unsinn abstempeln kann, sollte sie genießen. Ich mach mir schon mal ’ne Tüte Chips auf, zieh die Joggingbuchse an und freu mich auf die nächste Folge, um mich mal wieder so richtig leidenschaftlich zu echauffieren.

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