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Coole Frauen: Gianna Bacio, Sexualpädagogin

Gianna Bacio und ich haben viel gemeinsam: Wir sind beide 30, ich bin gerade frisch gebackene Mama eines Sohnes, sie ist hochschwanger (und es wird auch ein Junge). Sie ist aus Hamburg raus aufs Land gezogen, das gleiche steht in wenigen Tagen auch bei mir an. Wir sind beide in glücklichen Beziehungen, nehmen kein Blatt vor den Mund und mein Vorname Anna steckt sogar in Gianna. Kurz: Das Interview mit Gianna hat riesig Spaß gemacht, da wir ganz auf einer Wellenlänge waren. Und davon abgesehen hat Gianna viele spannende Gedanken und ihre Lebensgeschichte mit mir geteilt, die ich euch nicht vorenthalten will.

Wie aus der angehenden Grundschullehrerin eine Sexualpädagogin wurde

Nach der Schule entschied sich Gianna für ein Grundschullehramts-Studium, war aber nie mit ganzem Herzen dabei. „Das System Schule hat mir schon immer gestunken, so wollte ich nie arbeiten“, erzählt sie. Trotzdem zog sie das Studium durch. Im Referendariat war aber endgültig Schluss. Sie brach ab und entschied sich für ein zweites Studium, dieses Mal Ernährungswissenschaften – wieder etwas ganz anderes.

„Nebenher habe ich gern vor der Kamera gestanden. Vorträge halten, Auftritte, das hat mir schon immer Spaß gemacht. Und über einen ganz kleinen TV-Sender, bei dem ich moderiert habe, lernte ich dann jemanden kennen, der einen Aufklärungskanal für Jugendliche und junge Erwachsene auf YouTube hatte. Wir haben uns dann zusammengeschlossen und das als Aufklärungsteam zusammen aufgebaut. So bin ich da reingerutscht.“

Als der Kanal immer größer wurde, wollte Gianna einen „echten“ Expertenstatus und packte nach zwei abgeschlossenen Studiengängen dann mit 26 noch die Ausbildung als Sexualpädagogin oben drauf. Seit zwei Jahren ist sie nun komplett selbstständig und moderiert nicht mehr nur bei YouTube, sondern arbeitet auch als Coach, Speaker und sogar als Autorin. Sollte etwas schief gehen, kann sie immer noch Ernährungsberaterin oder Lehrerin werden.

Hand drauf!

Danach sieht es aber momentan nicht aus: Seit dem 8. Oktober gibt es ihr erstes Buch mit dem coolen Titel „Hand drauf!: Ein Plädoyer für die weibliche Masturbation“ zu kaufen. „Es ist unglaublich, wie diese Idee nun tatsächlich Gestalt angenommen hat. Ich bin so stolz und froh, das gemacht zu haben.“ Sie möchte mit dem Buch das Thema der weiblichen Masturbation „entmystifizieren“. Es herrsche dringend Aufklärungsbedarf: „Das größte Mysterium für Frauen ist immer noch der eigene Körper. Das ist zum einen unserer Geschichte geschuldet, als ‚schwaches Geschlecht’ durften sich Frauen nie so frei entfalten wie Männer; zum anderen den körperlichen Gegebenheiten. Unser Geschlecht ist eher versteckt und nicht so präsent wie der Penis bei Männern. Es gibt sogar Studien, dass die Reaktionen ganz unterschiedlich ausfallen, wenn Jungs und Mädchen als Kinder ihr Geschlecht anfassen. Jungs werden positiv begleitet, der Penis bekommt Spitznamen: ‚Ach, schau, dein Pipimann’. Bei Mädchen heißt es hingegen: ‚Pfui, da untenrum fasst man nicht hin’.“ So wird das Tabu von Kindheit an aufgebaut.“ Stimmt. Also, liebe Mädchen-Mamas, achtet drauf, was ihr sagt!

Oversexed and underfucked

Ich habe mit Gianna nicht nur über Masturbation, sondern auch über gesellschaftliche Tabus allgemein gesprochen. Wir waren uns einig: „Oversexed and underfucked“ trifft es wohl am besten. Sex ist überall – und trotzdem haben wir statistisch gesehen weniger Sex, als Paare vor 20 Jahren, wie eine Studie aus San Diego belegt. „Das omnipräsente Idealbild baut Druck auf. Deshalb gibt es Unlust, Erektionsstörungen oder fehlende Feuchtigkeit“, so Gianna. Was da hilft? „Offener miteinander zu sprechen. Viel zu viel bleibt ungesagt, weil man denkt, dass man damit jemanden verletzten könnte. Doch sowohl meine persönliche Erfahrung als auch die Berichte von anderen zeigen, dass es immer sinnvoller ist, Probleme anzusprechen. Auch wenn es Überwindung kostet – am Ende führt nur Offenheit zu besserem Sex.“

Zudem sollte man die Bilder, die uns in Pornos oder Werbeindustrie vorgelebt werden, so oft wie möglich ausknipsen. „Bei diesem Vergleich schneiden wir schlechter ab. Und fragen uns ständig, ob wir unnormal sind. Dabei müssen wir uns doch überhaupt nicht vergleichen! Wir sollten alle unser eigenes Idealbild entwickeln, geformt aus persönlichen Erfahrungen und individuellen Vorlieben.“

Das Geheimnis von gutem Sex

Natürlich konnte ich mir eine letzte Frage nicht verkneifen: Was ist denn nun das Geheimnis von wirklich gutem Sex? „Ganz viele Toys und total abgefahrene Stellungen“, lacht Gianna. „Nein, Quatsch. Im Ernst: Die Innensicht entscheidet. Jede und jeder sollte sich fragen: ‚Was gefällt mir? Was möchte ich gern umsetzen? Wie kann ich das mit meinem Partner erleben?’ Und diese Wünsche sollte man ausprobieren, egal wie merkwürdig sie vielleicht klingen. Guter Sex ist so individuell. Und, auch wichtig: Sex sollte kein Punkt auf der Partnerschafts-To-Do-Liste sein, den man genervt abhakt. Einfach mal entschleunigen und den Moment wirklich genießen!“

Das ist doch mal ein Schlusswort. Lasst es euch gut gehen – im Bett und auch sonst überall. Und dir, liebe Gianna, danke für das tolle Gespräch!

 

Wer noch mehr von Gianna hören, sehen und lesen will, wird hier fündig:

 

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Credit zum Foto von Gianna: Hendrik Martens

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