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Coole Frauen: Julia Stelzner, Das Ende vom Anfang

In meiner Serien „Coole Frauen“ stelle ich euch in unregelmäßigen Abständen Frauen vor, die für mich Inspiration und Motivation pur sind. Frauen, die ihrer Leidenschaft folgen, die mit Herzblut an ihrem Projekt arbeiten und die sich nicht so schnell unterkriegen lassen, wenn es mal schwierig wird. Heute: Julia Stelzner-Konrad, Journalistin und Gründerin der Seite „Das Ende vom Anfang“.

Als werdende Mama hab ich die erste Gefühlsachterbahn nach dem positiven Schwangerschaftstest schon hinter mir. Was passiert nun alles? Was bedeutet das? Kriegen wir das hin? Wird das Kind gesund sein? Sind diese oder jene Schmerzen normal? Und natürlich die Angst als täglicher Begleiter, vor allem in den ersten 12 Wochen – die Angst vor einer Fehlgeburt.

Normalität als Tabuthema

Fast jede dritte Schwangerschaft endet in einer Fehlgeburt. Und in den ersten drei Monaten ist das Risiko am höchsten. Als fleißig lesende Schwangere war mir dieser Fakt schnell bewusst. Bei jedem Toilettengang rechnete ich schon fast mit einer Blutung, bei Bauchschmerzen brach ich in Tränen aus. Ich konnte mich bis zur 13. Woche noch nicht in den Gedanken fallen lassen, bald ein Kind zu bekommen. Natürlich kann auch gegen Ende der Schwangerschaft jederzeit noch etwas passieren, das Risiko ist allerdings wesentlich geringer. Und da sich gerade alles gut entwickelt, toi, toi, toi, habe ich inzwischen ein sehr viel besseres Gefühl. Dennoch: Fehlgeburten sind normal. Und trotzdem redet kaum jemand drüber. Weil es ein tiefer Einschnitt ist, ein Verlust, der unglaublich weh tut. Dabei ist es doch gerade in dieser Trauerphase so wichtig, sich nicht allein oder gar schuldig zu fühlen. Das hat auch Julia am eigenen Leib erfahren: „Ich bin selbst betroffen, was in meinem Umfeld so gut wie die Ausnahme ist. Als ich mir in dieser Situation Erfahrungsberichte von anderen wünschte und mit den Internetforen wenig anzufangen wusste, habe ich selbst einen Bericht zu meinen Erfahrungen geschrieben. Daraufhin haben mich einige Frauen kontaktiert, denen es ähnlich ergangen war und die dankbar waren, dass jemand offen darüber spricht. Das war der Impuls für meine Seite ‚Das Ende vom Anfang’. Also einen Ort zu schaffen, der Frauen mit derartigen Erfahrungen verbindet und der aufklärt.“

„Ich wünsche mir mehr Aufklärung im öffentlichen Diskurs“

Julia hat sich nach ihren Erfahrungen all die Vorwürfe gemacht, die sich wahrscheinlich fast jede Betroffene macht: Vielleicht ist man zu oft geflogen, hat zu viel Kaffee getrunken oder zu häufig die Folsäure vergessen. „Aber so wie einem die Ärzte, auch auf meiner Website, immer wieder sagen: Die Frauen können für eine Fehlgeburt so gut wie nie etwas.“ Sie führte viele Gespräche und las zahlreiche Erfahrungsberichte. Doch viele Frauen kommen aber gar nicht soweit, schämen sich, sprechen nicht über ihre Erfahrungen. Deshalb wünscht sich Julia vor allem: „Mehr Aufklärung im öffentlichen Diskurs, weniger Tabuisierung unter den Frauen und auch sonst. Viel Empathie im Freudes- und Familienkreis sowie eine verstärkte und verbesserte Betreuung seitens der Ärzte und Hebammen.“

Ich habe Julia auch gefragt, was ein Mann in solch einer Situation am besten tun kann. Julias Antwort: „Die Trauer teilen, was sie ohnehin tun. Geduld haben, wenn die Frau danach nicht so schnell wieder die Alte ist. Liebevoll sein, wenn die Hormonschwankungen sie gereizt werden lassen. Nachfragen, was sie nicht verstehen oder nachempfinden können. Ganz viel Hoffnung haben und das auch sagen. Spaghetti kochen.“

Verwundete Superheldinnen

Nach solch einem Verlust ist es schwierig, wieder in den Alltag als Powerfrau zurückzukehren. Am liebsten würden wir alle Karriere machen, eine tolle Ehefrau sein, eine gute Mutter werden und natürlich superlustig und entspannt mit Freunden Zeit verbringen. Dass das nicht immer alles geht, merken wir selbst ohne Kind recht schnell. Wenn wir nicht alles auf die Kette kriegen, zweifeln wir an uns selbst. Job nicht bekommen? Beziehung zerbrochen? Ausgebrannt? Eine Fehlgeburt erlitten? All diese „Rückschläge“ wecken in vielen Frauen den Impuls, die Schuld bei sich selbst zu suchen. Statt einfach hinzunehmen, dass es normal ist, nicht immer volle Power und Erfolg in allen Bereichen geben und haben zu können. Wir sind keine Arbeits-, Sozial- und Gebärmaschinen. Niemand ist perfekt. Wir werden verletzt, ohne es zu wollen. „Eine Fehlgeburt hinterlässt langfristig Spuren. Eine sorglose Schwangerschaft wird man nie wieder haben“, so Julia Stelzner. Dank ihrer Webseite wird aber ein bisschen klarer, dass auch das normal ist. Liebe Frauen, macht euch bitte nicht selbst fertig. Ihr seid großartig. Auch wenn das Leben eben manchmal nicht nach Plan läuft. Auch wenn ihr denkt, dass es gerade bei anderen so viel besser läuft als bei euch – Bullshit. In jeder vermeintlich perfekten Hülle schlummern Ängste, Streitigkeiten und Unzufriedenheiten. Unterstützt euch gegenseitig und sprecht offen über all das, anstatt euch in Perfektion zu überbieten. Danke, Julia, dass du dazu einen Anstoß gibst.

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Kommentare: 1
  • #1

    Nadine Leder (Dienstag, 03 April 2018 10:04)

    Deine Artikel über "Coole Frauen" sind sehr interessant und ich freue mich schon auf den nächsten Artikel. Ich finde es toll, was "wir" Frauen alles so auf die Beine stellen können.
    Mach weiter so.
    Grüße
    Nadine Leder von KleineMathilda Mode für Kinder