· 

Coole Frauen: Kristina und Kati, die Techies aus San Francisco

Californiaaaaa, Californiaaaa, here we cooome... ich oute mich an dieser Stelle: Mit 19 war ich süchtig nach der Serie „O.C., California“. Dem Lieben und Leiden im Golden State zuzuschauen war für mich der perfekte Eskapismus an Schmuddelwetter-Tagen, von denen es in Hamburg bekanntlich nicht allzu wenige gibt. Als ich einen Roadtrip an der Westküste der USA machte, begeisterte mich in Kalifornien neben dem wunderschönen Highway No. 1 vor allem San Francisco. Wie es wohl wäre, hier zu leben? Kristina Traeger (30) und Katrin Schmidt (34) haben nicht nur davon geträumt, sondern sind wirklich ausgewandert.

Kristina, Kati, Kalifornia

Mir wurde ihr Podcast „Kristina, Kati, Kalifornia“ vorgeschlagen und schon nach zwei Folgen bin ich begeistert. Die beiden sind zwei völlig unterschiedliche Typen, haben oft ganz unterschiedliche Ansichten und Einstellungen – genau das macht den Podcast so spannend. Sie sprechen nicht nur über Formalitäten und Behörden-Gedöns beim Auswandern, sondern auch, und das finde ich besonders spannend, über das Leben in San Francisco. Wie wird dort gearbeitet, gefeiert, gelebt? Wie steht es um die „Women in Tech“ im ach-so-modernen Silicon Valley? Was für Vor- und Nachteile haben Festanstellung und Freelancer-Leben? Wie ticken die Leute an dem Ort, an dem die größten Tech-Innovationen entstehen? Hört mal rein, es lohnt sich. Den Podcast findet ihr auf iTunes, SoundCloud, Spotify und auf der Webseite.

California, here we come

Kati war schon immer eine echte Weltenbummlerin: „Seit meinem Erasmus-Austausch in England habe ich fast jedes Jahr ein paar Stationen im Ausland gemacht“, erzählt sie. 2010 schrieb sie ihre Masterarbeit in San Francisco – da hatte sie die Faszination der Stadt gefangen genommen. „Nach acht Versuchen hat es endlich geklappt und ich habe meine Green Card in der Lotterie gewonnen. Vor vier Jahren bin ich dann von Berlin nach San Francisco ausgewandert“, so Kati.

Kristina hatte gerade mal einen Tag in San Francisco verbracht, als sie auswanderte. Sie kommt ursprünglich aus Leipzig, hat in Köln und Paris studiert und schließlich in Berlin gelebt. Sie verfolgte schon lange, was im Silicon Valley in Sachen Innovation und Technologie passiert. „Irgendwann war die Faszination so groß, da wollte ich einfach dabei sein und herausfinden, warum wir in Deutschland so hinterherhinken. Ich hab Ende 2013 bei Zalando meine Managerposition aufgegeben und bin dann als Neuzuwachs im Marketing bei Cooliris nach San Francisco gezogen.“

Einfach mal machen

Was die beiden heute beruflich alles treiben, kann ich mir selbst nach dreimaligem Hören kaum merken. Die Mädels haben zig Eisen im Feuer, setzen ihre Ideen um, statt nur darüber zu grübeln. Am besten, sie fassen selbst zusammen, wie ihre Jobs aussehen.

„Ich war eine der ersten Mitarbeiterinnen von Airbnb und bin dem Unternehmen 6,5 Jahre treu geblieben“, erzählt Kati. „Nach meiner Kündigung habe ich mit Piña Colada einen Gruppen-Dinner-Dating-Service aufgebaut. Nebenbei bin ich Mentorin beim German Accelerator und begleite deutsche Unternehmen, die in die USA expandieren wollen. Ich bin stolz, Feministin zu sein und engagiere mich als Direktorin von Changemaker Chats und als Coach für Upwardly Global. Ich betreibe den Auswandererblog Kaliforniakati.com und den Podcast Kristina, Kati, Kalifornia gemeinsam mit Kristina.“

Und Kristina? „Nachdem Cooliris von Yahoo akquiriert wurde, bin ich bei Stylelend eingestiegen“, erzählt sie. „Dort habe ich die Operations aufgebaut und als Produktmanager die erste Version der iPhone-App gelauncht. Die Arbeit mit den Engineers hat so viel Spaß gemacht, dass ich mich bei einer Programmierschule angemeldet habe. Seitdem bin ich als Web-Entwicklerin selbständig und verwirkliche meinen eigenen Ideen. Ehemalige Projekte waren zum Beispiel Stulle (Brot in der Flasche), Cybrid Industries (Chatbot as-a-service), Tomaeto Tomahto (Plattform für nachhaltige Mode). Aktuell bin ich Mitgründerin bei Jomper (Jumpsuits Für Überall) und Artifact (Plattform für Homestaging).“

Oookay, ja, läuft bei den beiden, würde ich sagen. Ziemlich abwechslungsreiches Leben. Und beide wissen die Freiheiten der Selbstständigkeit sehr zu schätzen. „Als Unternehmerin arbeitet man zwar tendenziell mehr als im Angestelltenverhältnis, aber das Gefühl, meine eigene Chefin zu sein und morgens erstmal zum Yoga zu gehen, ist viel Wert“, so Kati. Und Kristina bestätigt: „Ich stehe meist zwischen 6 und 7 Uhr auf, gucke mir den Sonnenaufgang an und mache die ersten zwei Stunden nichts außer frühstücken, lesen und meditieren. Emotional ist die Selbstständigkeit für mich eine große Achterbahn, doch das persönliche Wachstum und die Freiheit sind unbezahlbar.“

Women in Tech? Leider immer noch die Ausnahme

Vor allem Kati engagiert sich in Sachen Gleichberechtigung. „Das Silicon Valley hat noch viel aufzuholen. Das betrifft sowohl die Anzahl von Frauen in Führungspositionen, Gründerinnen und Investorinnen als auch Vertreter von Minderheiten, zum Beispiel mit Migrationshintergrund, LGBTQ oder African Americans. Allerdings schätze ich, dass viele Unternehmen hier das Problem angehen, ihre Daten analysieren und proaktiv an Lösungen arbeiten.“ Dumme Sprüche musste sie sich allerdings schon einige anhören: „Die Tech-Industrie ist eine Männer-Domäne. Ich habe inzwischen ein dickes Fell, ein paar knackige Sprüche parat und einen Blick, der meinem Gegenüber direktes Feedback gibt.“

Auch die Familienplanung ist in San Francisco eine echte Herausforderung. Kristina denkt momentan noch nicht daran, Mutter zu werden – für Kati hingegen spielt dieser Gedanke eine zunehmend große Rolle. „In den USA sind Mutterschutz und Elternzeit weniger ausgeprägt und die Kosten für Krankenversicherung, Kinderbetreuung, etc. sind deutlich höher“, erklärt sie. Kind und Karriere zu schaukeln scheint fast unmöglich, wenn ich das so höre. „Optionen wie das Egg Freezing sind hier allerdings gesellschaftlich akzeptierter und bieten Frauen die Möglichkeit, auch Mitte/Ende 30 noch Nachwuchs zu bekommen.“ Also erst Karriere, dann Kind. Vielleicht. Oder eben erst mit 40 statt mit 30 überfordert sein.

Man muss nicht „männlicher“ werden, um ein Techie zu sein

Die beiden sind für mich jede auf ihre Art Role Models. Beide verbindet ihre Unerschrockenheit, ihre Macher-Mentalität. Und sie beweisen, dass jede Frau mit ihrer ganz eigenen Art locker mit den Kerlen mithalten kann. Man muss nicht „männlicher“ werden, um in der Tech-Branche Fuß zu fassen. Mein Learning nach dem Gespräch mit den beiden: Egal ob in San Francisco oder Buxtehude, ob Tech-Branche oder Pädagogik, ob Feministin oder Hippie-Girl, jeder sollte immer ganz bei sich bleiben und genau den Weg gehen, der sich richtig anfühlt. Hauptsache, man packt es an. Und wenn ihr nun auch Bock aufs Silicon Valley habt: Hin da! Ladies, lasst euch nicht unterkriegen und zieht durch!

Kommentar schreiben

Kommentare: 0