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Equal Care, Equal Career – geht das mit Kindern?

Wer mich kennt, weiß, dass ich Gleichberechtigung unfassbar wichtig finde. In jeder Hinsicht, beruflich wie privat. Mich nervt es, dass 1,5 Jahre nach der Geburt meines Sohnes Bekannte fragen: „Arbeitest du denn schon wieder?“ Mich nervt, dass die Leute wie selbstverständlich davon ausgehen, dass ich als Mutter diesen Job übernehme und so eine Frage niemals meinem Mann stellen würden. Aber diese Rollenbilder haben wir alle noch im Kopf. Ich auch. Ich fühle mich als Mama hauptverantwortlich und muss mich selbst oft daran erinnern, dass ich das nicht bin.

Hoffnungsvoller Blick in die Zukunft

Ich finde es wichtig, dass darüber gesprochen wird. Dass sich Frauen beschweren. Aber ich denke auch, dass man dieser Entwicklung etwas Zeit geben darf. Ich merke an mir selbst, wie tief diese Denkweisen und Glaubenssätze verwurzelt sind – und das, obwohl ich mit einer alleinerziehenden, voll berufstätigen Mutter aufgewachsen bin. Doch der Wandel ist in vollem Gange. Wenn ich mir die Fridays for Future Kids anschaue, bin ich optimistisch, dass die nächste Generation schon sehr viel diverser, bunter, selbstbewusster und gleichberechtigter leben wird. Wenn wir uns unserer Vorurteile und Rollenklischees bewusst werden und mit den Kindern gemeinsam reflektieren, wenn wir ihnen jede Freiheit geben, sich so zu entwickeln, wie sie wollen, dann ist das schon sehr, sehr viel. Glaube ich. Hoffe ich. Natürlich gibt es da auch komplett gegenläufige Entwicklungen, aber ich baue einfach mal auf meinen Optimismus und die cleveren, jungen Köpfe.

Women only: Schwangerschaft, Geburt & Stillen

Und trotzdem habe ich mit der Geburt meines Sohnes erfahren, wie anstrengend diese Gleichberechtigung wird, wenn Kinder ins Spiel kommen. Ich habe zeitweise am Feminismus gezweifelt, gebe ich zu. Ich saß da, mit meinen Hormonen, mit meinen tropfenden Brüsten, dem malträtierten Beckenboden und dachte: Okay, Gleichberechtigung wird es nie geben. Männer können nicht schwanger werden und all das wirklich nachvollziehen. Wenn wir Kinder wollen, muss die Frau schwanger sein, eine Geburt überstehen und sich erholen. Und wenn das Stillen klappt, lebt das Würmchen danach lange Monate in völliger Abhängigkeit von Mamas Brüsten. Es gibt einen unvermeidlichen Bruch. Es gibt ein paar Monate, in denen eine Frau „raus“ ist, wenn sie Kinder will. Weil der Bauch irgendwann 15 Kilo schwer ist und man nicht mehr hinter den Schreibtisch passt, weil die Geburt scheißanstrengend ist und man sich danach erholen muss. Ja, der Mann kann in dieser Zeit dafür sorgen, dass der Haushalt läuft, er kann Essen kochen, Baby schuckeln, wickeln und gegebenenfalls das Geschwisterkind bespaßen und zur Kita/Schule bringen. Aber es funktioniert nicht, dass die Frau sagt: „Kinder wären toll, aber Schatz, ich starte gerade so richtig durch in meinem Unternehmen. Es wäre toll, wenn du das mit der Geburt übernimmst.“ Geht nicht. Männer und Frauen sind nicht gleich.

Alles wie immer, nur mit Kind? Das funktioniert nicht

Irgendwann gewinnt man Unabhängigkeit zurück. Aus dem Baby wird ein Kleinkind, das Mamas Brüste nicht mehr braucht. Papa kann nun genauso viel übernehmen wie Mama. Es gibt keinen Grund mehr dafür, dass man als Mutter in der Hauptverantwortung steht. Nun gilt es zu diskutieren: Wie machen wir das? Wie schaffen wir das? Ich war lange der Meinung, dass alles gehen sollte. Beide Vollzeit, trotzdem Kinder. Volle Power in jeder Hinsicht. Und dann begann die Krippeneingewöhnung und holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Mein Kind wurde gar nicht mehr gesund. Ein Infekt nach dem anderen brachte alles durcheinander. Und die „Freiheit“, die wir uns erhofften, wurde zur Herausforderung. Wir sind beide selbstständig und konnten es irgendwie immer regeln, aber wenn ein Kind in 7 Monaten gerade mal eine einzige volle Woche in der Krippe schafft und man den Weg zum Kinderarzt mit verbundenen Augen fahren könnte, dann ist man am Limit. Es wird klar: ALLES geht nicht. Man kann kein Kind kriegen und genauso weitermachen wie bisher. Selbst wenn das Kind in die Kita geht. Krankheiten, Schulausfall, Ferien, Schließzeiten, hinbringen, abholen, all das muss geregelt werden. Und in den meisten Fällen kann man selbst mit Kita und gesundem Kind nie so arbeiten, wie man es vorher kannte. Weil das Kind nur bis 14 oder 15 Uhr betreut wird, vielleicht auch bis 17 Uhr. Aber die Überstunden, die Tage, in denen man um 20 Uhr mit den Kollegen Pizza bestellt hat, sind vorbei. Zumindest für einen Elternteil. Und wenn eine*r zurücksteckt, muss die/der andere immer mit dem Gedanken leben: „Ich kann hier gerade nur sein, weil mein*e Partner*in sich kümmert.“

Auch Arbeitgeber müssen sich bewegen. Eltern brauchen Flexibilität. Und das bedeutet nicht, dass man zwischen 8 und 9 Uhr im Büro ankommen darf und die zwei Elternzeitmonate für den Papa schon okay sind.

Fordert ein, sprecht miteinander und findet euer Modell!

Equal Care ist unfassbar wichtig. Für alle. Studien haben ergeben, dass eine Frau viermal so viel Care-Arbeit leistet wie ein Mann. Und angeblich verdienen nur 6 Prozent(!) aller verheirateten Frauen mehr als 2000 Euro netto. In Deutschland verdienen Mütter zehn(!!!) Jahre nach der Geburt des ersten Kindes im Schnitt 61 Prozent weniger als im Jahr vor der Geburt. Das muss sich ändern. Deshalb mein Appell, immer wieder: Redet miteinander! Klärt eure beruflichen und privaten Ziele und Bedürfnisse und versucht Wege zu finden, wie ihr das auf die Reihe kriegt. Geht niemals davon aus, dass die Frau mehr Mutter und der Vater mehr Versorger ist. Findet EUER Modell. Streitet euch. Diskutiert. Seid genervt. Anders geht es nicht. Können beide Stunden reduzieren? Könnte man Vereinbarungen als Paar treffen, bei denen mal der eine, mal der andere mehr Care-Arbeit hat?

Zurückstecken gehört dazu

Seid euch aber auch bewusst, dass ihr Kompromisse eingehen müsst. Es ist normal, dass nicht alles geht, wenn man nicht gerade die Großeltern nebenan wohnen hat, die jeden Tag das Enkelkind mehrere Stunden lang betreuen wollen/können. Equal Care bedeutet auch, dass beide Partner zurückstecken müssen. Ein kleines Kind bedeutet weniger Schlaf, weniger Freiheit, weniger ausgehen, und ja, auch weniger Arbeit. Und wenn der Einbruch des Gehalts der Frauen nicht so krass sein soll, dann wird es darauf hinauslaufen, dass Frauen UND Männer einen nicht so starken, aber beide einen kleinen Gehaltseinbruch hinnehmen müssen. Oder dass es mal der Mann und mal die Frau ist. Dass der Gehalts-Graph bei beiden schön konstant oben bleibt, auch nach der Geburt – das funktioniert vermutlich nur, wenn Aupair/Großeltern/Babysitter am Start sind und die Betreuung unterstützen. Und auch das ist oft ein  emotionaler Kompromiss: Denn wenn man Kinder hat, möchte man Zeit mit ihnen verbringen, unterstelle ich einfach mal. Es tut vielen Eltern weh, wenn man ein Kleinkind von Montag bis Freitag nur noch ins Bett bringt und ansonsten in „fremde“ Hände gibt. Das sollte man bei all den Diskussionen, wie man möglichst schnell wieder möglichst viel arbeiten und Freiheit zurückgewinnen darf, nicht vergessen: Auch arbeitende Eltern wissen, dass nichts im Leben wichtiger ist, als der eigene Nachwuchs. Man hat sich (meistens) bewusst für diese Form der Care-Arbeit entschieden. Dadurch verschieben sich die Prioritäten – und das ist okay. Es geht nur darum, wie man es fair aufteilt, weil Kinder zwar das Herz füllen, aber leider nicht das Konto. Und weil man manchmal eine Pause braucht und vielleicht sogar besser für das Kind da sein kann, wenn man zwischendurch mal etwas anderes macht.

Das perfekte Modell gibt es nicht

Ich habe in den letzten Monaten gelernt, dass das perfekte Vereinbarkeits-Modell nicht existiert. Unverändertes Einkommen beider Elternteile, gleichberechtigte Erziehung, gleichberechtigter Haushalt, problemlose Betreuungssituation, Zeit für eigene Bedürfnisse wie Sport, Hobbys und Freunde und neben all dem noch genug Zeit für das Kind? Wer all das abhaken kann, soll mir bitte ganz schnell erzählen, wie das geht. Ich kenne kein Modell, das perfekt funktioniert. Überall ruckelt’s. Überall hakt’s. Überall gibt es Pro und Contra. Das einzige, was wirklich hilft, ich sag's nochmal: reden, reden, reden. Immer wieder. Einfordern, Equal-Care-Pläne machen, Betreuungen organisieren und Notlösungen finden. Manchmal gehört es (für beide Elternteile) auch dazu, eigene Ziele zähneknirschend hintenanzustellen und die neue Situation für einen gewissen Zeitraum zu akzeptieren. Macht euch locker und seid stolz auf die Routinen, die ihr für euch findet bzw. gefunden habt. Die anderen kriegen es auch nicht besser hin, selbst wenn es manchmal so aussieht.

 

P.S.: Ich habe in diesem Text die Care-Arbeit vor allem auf Kinder und Haushalt bezogen. Mit pflegebedürftigen Angehörigen und/oder Ehrenamt und Familie ist es ja noch viel krasser. Uff.

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Kommentare: 1
  • #1

    Gala (Mittwoch, 04 März 2020 19:12)

    Ich bin froh, dass es endlich angesprochen/ausgesprochen wird! Es geht nicht alles, egal wie gut Frau/Mann sich auch organisieren. Mich nervt bei diesen Vereinbarkeits und Mentalloaddebatten, dass einem das Gefühl fast aufgezwängt wird, wenn Frau das mit dem Mann regelt und der Mann auch endlich Verantwortung übernimmt,alles genauso machbar ist wie vor den Kindern. Kinder haben beudet in den meisten Fällen nun mal auch Verzichten und sich hinten anstellen. Die Frage ist nur wie mit dem Verzicht umgegangen wird und es dann aufgeteilt wird.