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Ich arbeite gern. Na und?

Kürzlich habe ich auf dem Blog ohhhmhhh.de folgende Zeilen gelesen:

 

„Eine Freundin gestand mir mal, dass sie sich ‚wie ein Stück Scheiße’ ohne Arbeit fühle. Gefühlt nichts wert sei. Auch daran dachte ich. Machen wir uns am Strand/im Urlaub so nackig, nicht nur weil wir kaum was anhaben, sondern weil wir uns auch von unseren Jobtiteln lösen, dem Gefühl der Anerkennung, die man durch den Beruf oft bekommt, unseren Status? Klammern sich deshalb so viele an ihre Jobs, Titel, Likes und gönnen sich kaum Freizeit, weil sonst die Frage aufkommt – wer bin ich ohne all das? Was bin ich dann noch wert? Und lebe ich eigentlich das Leben, das ich mir wirklich wünsche?“

 

Irgendetwas in mir regte sich. Irgendetwas daran fühlte sich falsch an. Und ich dachte darüber nach, was das war.

Der Job ist Teil des Selbstbilds

Ich finde es völlig in Ordnung, stolz auf das zu sein, was man erreicht hat. Natürlich ist der Job Teil des Selbstbilds! Wir verbringen sehr, sehr viel Zeit damit, zu arbeiten. Ein klassischer 9-to-5-Job nimmt den Großteil des Tages ein. Vorher stehen wir auf, räumen vielleicht noch die Spülmaschine aus, frühstücken und düsen los. Nachher gehen wir noch zum Sport, verbringen etwas Zeit mit der Familie und/oder treffen Freunde, dann geht es ins Bett. Es wäre doch ziemlich schade, wenn wir den Rest des Tages – den Job also – nicht als Teil unseres Selbstbildes sehen, oder?

Mir persönlich war es immer wichtig, beruflich zufrieden zu sein. Ich brauche keine Führungsposition, eher Freiheit, das hat die Erfahrung gezeigt, inzwischen arbeite ich deshalb als Freiberuflerin. Gerade durch diese Erfahrung und diesen beruflichen Weg habe ich viel über mich selbst gelernt.

Ich will wieder arbeiten!

Als mein Sohn gerade mal vier Monate alt war, habe ich zu meinem Mann gesagt, dass ich wieder arbeiten möchte. Mir fehlte etwas. Ich war plötzlich „nur noch“ Mutter. Klar, zeitlich war die Mutterrolle absolut fordernd, ausfüllend und ausreichend. Manchmal war ich auch so müde, dass ich nicht wusste, wie ich das schaffen soll, Job UND Kind. Doch ich sehe Arbeit nicht als Stressfaktor, sondern als Teil meiner Selbstverwirklichung. Es ist toll, wenn Frauen ganz und gar in ihrer Mutterrolle aufgehen – mir war das nicht genug. Ich brauchte einen Ausgleich, brauchte Lob für meine Arbeit, Anerkennung, auch in Form von Geld. Ich verstand, dass ich vor Beginn der Krippenzeit meine "Me-Time" als Arbeitszeit sehen muss, wenn ich alles unter einen Hut kriegen will. Laptop auf statt Füße hoch. Aber das war okay. Ein Teil meines Ichs, so wie ich es mir aufgebaut habe, war zurück. Klar, das war manchmal anstrengend. Aber es tat mir gut. Und die Zeit ohne Arbeit hat mir vor allem eins gezeigt: Ich arbeite gern.

Frauen, seid stolz darauf, zu arbeiten!

Gerade Frauen sollten ohne schlechtes Gewissen dazu stehen dürfen, arbeiten zu wollen. An Stefanie Luxats Artikel hat mich gestört, dass er ein wenig so klingt, als renne jede*r, die oder der viel arbeitet, vor dem echten Leben weg. Das halte ich für Unsinn. Im Gegenteil: Seid doch stolz auf eure Jobs, Titel und Likes! Die habt ihr euch schließlich mit viel Mühe erarbeitet! Es gibt Phasen im Leben, da ist genau das eben das Wichtigste. Und andere Phasen, in denen es egal ist.

Gerade junge Mütter tendieren immer wieder dazu, nur wenig oder mit sehr, sehr schlechtem Gewissen zu arbeiten. „Du bist doch die Mutter...“, heißt es dann. Hä? Na und? Ihr seid keine schlechteren Mütter, wenn ihr euren Job gewissenhaft und gern macht. Im Gegenteil: Ihr seid ein super Vorbild! Kinder sollten lernen, dass Mama und Papa gleichermaßen den Anspruch haben, zu arbeiten. Und dass es erstrebenswert ist, einen Job zu haben, den man gern ausübt. Chimamanda Ngozi Adichie zitiert in ihrem wunderbaren Buch „A feminist manifesto in fifteen suggestions“ (Affiliate Link*) die amerikanische Journalistin Marlene Sanders, die gesagt hat: „Never apologize for working. You love what you do, and loving what you do is a great gift to give your child.“ Chimamanda Ngozi Adichie selbst schreibt daraufhin, dass es sogar egal ist, ob man seinen Job liebt: „...you can merely love what your job does for you – the confidence and self-fulfilment that come with doing and earning.“

Fühlt sich alles richtig an?

Wahrscheinlich meinte Stefanie es gar nicht so, wie ich es nun gerade darstelle. Vermutlich wollte sie einfach nur sagen: Manchmal ist es gar nicht schlecht, innezuhalten. Nicht nur von Termin zu Termin zu hetzen, sondern sich der Frage zu stellen: Fühlt sich das eigentlich richtig an, oder funktioniere ich nur? Besteht mein Leben nur noch aus ätzenden To Dos oder habe ich Spaß an dem, was ich privat und/oder beruflich tue?

Hinterfragen ist wichtig! Das kann man im Urlaub machen, auf der Bahnfahrt vom Büro nach Hause oder im Gespräch mit dem Partner oder einer Freundin beim Abendessen. Hauptsache, man hebt ab und schaut aus der Vogelperspektive auf die aktuelle Situation. Ich finde aber nicht unbedingt, dass man sich fragen muss, wer man ohne seinen Job ist, sondern eher, ob man mit der aktuellen Situation zufrieden ist und sich ausgeglichen fühlt. Manchmal macht man sich auch zuhause zu viel Stress, verbringt die Freizeit mit Putzen, Pflichtterminen und Wäsche, statt sich Auszeiten und Inseln für sich zu gönnen. Da kann der Job nichts für. Kurz: Zu viel Arbeit nervt – aber nicht zu arbeiten auch. Wenn sich Job, Titel und Likes gerade genau richtig anfühlen: Weitermachen, ihr Raketen!

 

*Werbung für ein tolles Buch – unbezahlt. Wenn ihr es über meinen Link kauft, gibt es für mich eine ganz kleine Beteiligung.

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