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Let's talk about Sex, Baby!

Ich habe mich kürzlich mit einem Kumpel über meine Gedanken zum Thema Victim Blaming unterhalten. Wir waren uns einig, dass das Thema schwierig ist – doch seine Gründe waren andere, als ich dachte. Als Polizist ist er live dabei, wenn Frauen Vergewaltigungen anzeigen. „Der geringste Bruchteil sind solche Vergewaltigungen, wie man sie aus dem Fernsehen kennt“, sagte er. „Allein im Dunkeln von einem Fremden ins Gebüsch gezogen – das ist die absolute Ausnahme.“

„Eigentlich wollte ich das gar nicht“

Viel häufiger sei es der Fall, dass eine Frau angetrunken in einer Bar mit einem Mann ins Gespräch gekommen sei, man knutscht herum, man geht gemeinsam nach Hause, zieht sich bis auf die Unterwäsche aus. Die Frau möchte dann neben dem Mann einschlafen, der allerdings davon ausgeht, dass es noch weitergeht. Er fasst sie an, sie sagt nichts dazu und geht am nächsten Tag zur Polizei. Mein Kumpel erzählte mir: „Wenn ich die Frau frage, ob sie denn klar gesagt habe, dass sie das nicht will, antworten die meisten: ‚Mh, nee, nicht so richtig.’“. Aber sie wollte es eigentlich nicht. Sie hat es nur nicht gesagt. Der Mann hätte es merken müssen. Hat er aber nicht. Nein heißt Nein. Aber ist kein Nein schon ein Ja? Oder muss man wirklich vor jeder Handlung immer noch einmal genau nachfragen, ob das jetzt okay ist? Ist das realistisch?

Klar: Gewalt geht gar nicht

Ganz wichtig: Mir geht es hier um „normale“ sexuelle Handlungen und nicht kommuniziertes Missfallen. Wenn jemand klar äußert, dass sie/er das nicht will, was da gerade passiert und/oder wenn der andere gewaltsam erzwingt, worauf sie/er gerade Lust hat, dann geht das gar nicht. Wenn ich lese, dass die Schauspielerin Esther Gemsch in der ZEIT beschreibt, wie ihre Nacht mit Dieter Wedel verlief, läuft es mir kalt den Rücken hinunter: „Er setzte sich rittlings auf mich, packte meinen Kopf bei den Haaren und schlug ihn immer wieder aufs Bett, einmal auch an die Wand und dann einmal auf die Bettkante.“

Um so etwas geht es mir hier nicht. Das ist für mich ganz klar zu verurteilen, und ich glaube selbstverständlich den Frauen, die sich in diesem Zusammenhang äußern.

In diesem Text geht es um etwas anderes. Um Sex, der irgendwie misslingt. Bei dem nicht beide mit Leidenschaft dabei sind, sondern bei dem es (meistens) die Frau nur stumm, ohne ein Wort des Missfallens zu äußern, „über sich ergehen lässt“, um dann im Nachhinein Anklage zu erheben.

Gibt es Opfer und Täter?

Eine ziemlich schwierige Situation, die auch aktuell wieder in Zusammenhang mit dem Schauspieler Aziz Ansari diskutiert wird. Natürlich ist es nie richtig, einen Menschen zu sexuellen Handlungen zu drängen, die er oder sie nicht will. Allerdings kann ich auch irgendwie verstehen, dass man als Mann davon ausgeht, dass es zu sexuellen Handlungen kommt, wenn mein Flirt aus der Bar abends mit zu mir kommt und sich vor mir entkleidet. Das kann man meines Erachtens nach schon als stillschweigendes Einverständnis verstehen, wenn im weiteren Verlauf der Geschehnisse kein Nein mehr kommt. Im Nachhinein eine Nacht zu bereuen (weil man vielleicht zu betrunken war, fremdgegangen ist, sehr schlechten Sex hatte oder den Typen eigentlich gar nicht attraktiv findet und sich deshalb schämt) hat nichts mit einer Vergewaltigung zu tun. Das ist eine dumme Erfahrung, aber das macht einen nicht zum Opfer. Im Gegenteil: Wenn man den eigenen Fehltritt als Vergewaltigung zur Anzeige bringt, würde ich soweit gehen, dass dann der Mann zum Opfer wird. Eine miese Nacht ist keine Straftat.

Wie können wir denn nun Einvernehmen definieren?

Die schwierige Frage, um die sich alles dreht, lautet: Was ist denn nun einvernehmlicher Sex? Eigentlich sind wir uns einig: Im Bett ist alles erlaubt, wenn beide damit zufrieden sind. Egal, ob es um Blümchensex oder Fesselspiele geht. Solange beide Spaß dran haben, ist alles tutti. Sobald sich allerdings eine Seite gedrängt fühlt, etwas sehr unangenehm ist oder sich doof anfühlt, dann sollte das ganze beendet werden. Und dann führt kein Weg daran vorbei, miteinander zu sprechen. Körpersprache hin oder her, die kann immer missverstanden werden. Selbst nach Jahrzehnten gibt es bei Ehepaaren Missverständnisse. Ständig. Wie soll man dann bei einer neuen Bekanntschaft jeden Blick und jede Bewegung richtig deuten? Es hilft nichts, zu hoffen, dass der andere merkt, dass man sich gerade nicht so gut fühlt. Man muss es sagen. Und dieses Selbstbewusstsein sollte jede junge Frau (und auch jeder junge Mann) möglichst früh lernen.

Echte Aufklärung statt Pornografie

Wir leben in einer Zeit, in der schon 11-Jährige die ersten Pornos auf dem Schulhof sehen. Dass diese zu einem Großteil aus Männersicht gefilmt sind und erniedrigte Frauen zeigen, ist kein Geheimnis. Das sollten junge Menschen nicht als sexuelle Normalität wahrnehmen. Sie sollten nicht denken, dass sie imitieren müssen, was sie dort sehen. Es ist gefährlich, wenn sie denken, dass Erniedrigung und Schmerz zum Sex dazugehören. Junge Menschen sollten ihren eigenen Weg finden, Spaß im Bett zu haben. Und auch hier hilft nur: reden, reden, reden. So unangenehm und peinlich und doof sich das auch anfühlen mag für Teenager, nur durch einen offenen Umgang mit dem Thema Sexualität seitens der Eltern und Lehrer können junge Menschen lernen, ebenfalls offen zu sprechen, wenn es soweit ist. Denn nur so werden ihnen schmerzhafte Erfahrungen erspart. Es erfordert Selbstbewusstsein, klar zu kommunizieren, was man mag und was man nicht mag. Dass man vielleicht mal etwas ausprobieren, aber eventuell auch schnell wieder abbrechen will. Doch es ist wichtig, genau das auszusprechen, damit keine falschen Hoffnungen und missverstandenen Andeutungen entstehen. An dieses so wichtige Selbstbewusstsein muss sich jeder von uns immer wieder erinnern. Das eigene Wohlbefinden sollte immer an erster Stelle stehen und man sollte in so einem Moment nicht daran denken, den anderen vielleicht vor den Kopf zu stoßen. Es ist nicht immer einfach, beim Sex und über Sex offen zu sprechen. Gerade Frauen trauen sich oftmals nicht. Doch es hilft. Denn wenn beide Spaß haben, ist es besonders schön – und so muss auch niemand am nächsten Morgen zur Polizei gehen.

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