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Bin ich eine miese Feministin?

 

Ja, ich bin Feministin. Aber ich bin keine, die alles richtig macht. Ich überspitze nicht, bin recht diplomatisch und selten extrem. Ich bin nicht immer ein Vorbild. Vielleicht bin ich eine ziemlich miese Feministin. Aber ich bin vielleicht gerade deshalb näher an der Realität der meisten Frauen.

Die bösen Männer, die guten Frauen

Wenn ich feministische Blogs und Magazine lese oder Feministinnen in Talkshows diskutieren höre, habe ich oft die Gedanken, die ich schon in der Uni hatte, als ich mich mit den Gender-Studies beschäftigt habe.

1.: Es sind meistens Frauen, die sich äußern. Wieso kommen Männer so selten zu Wort, wenn es doch um eine beidseitige Gleichberechtigung geht?

 

2. Männer werden meistens vorverurteilt und sind „die Bösen“. Ja, es gibt immer noch patriarchische Machtstrukturen in der Gesellschaft, die sich ändern müssen. Aber nicht jeder Kerl ist ein Arschloch. Es gibt viele tolle, liebe, gute Männer, die niemandem etwas Böses wollen und die Frauen NICHT unterschätzen, begrabschen oder klein halten. Die genauso Karriere machen wollen wie ihr/wir, liebe Feministinnen, aber auch genauso eine Familie gründen und Papa sein möchten. Ich hab das Gefühl, dass manchmal(!) Aussagen so verdreht werden, dass der Mann am Ende „schuld“ ist.

 

3. Frauen sind meistens in der Opferrolle. Sie werden nicht selten als die armen, gedemütigten Geschöpfe dargestellt, die bei der „überpräsenten Männlichkeit“ in der Gesellschaft keine Chance haben. Wenn ich mich so umschaue: Ich kenne viele starke, coole Frauen, die auch kein Problem damit haben, auf den Tisch zu hauen. Und ich denke, dass zum Feminismus auch dazu gehört, einen Appell für mehr Selbstbewusstsein und Selbstbestimmtheit an alle Frauen zu senden. Im Stillen zu jammern hilft eben auch nicht. Wir sind in einer Umbruch-Phase, in der wir uns als Frauen neue Stellungen erkämpfen müssen. Es ist normal, dass die Gesellschaft sich daran erstmal gewöhnen muss und dass es anstrengend wird. Da hilft nur: Kopf nicht einziehen und volle Brust voraus!

 

4. Frauen werden ebenfalls oft vorverurteilt – als „die Guten“. Doch nicht jede Frau kämpft um einen gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft. Schaut doch mal, wie es in vielen Discos abgeht. Da sitzen ein paar Kerle im Anzug in einer gemieteten Lounge und schauen sich die Mädels auf der Tanzfläche an. Fürchterliche Situation. Doch anstatt den wandelnden Anzug-Klischees den Mittelfinger zu zeigen, drücken die Damen ihre Oberweite noch etwas weiter zusammen, präsentieren sich in enger Lederhose und bauchfreiem Top und werfen den Herren lüsterne Blicke zu, um vielleicht ein Schlückchen vom edlen Champagner zu ergattern. Ganz ehrlich: Solche Frauen würde ich auch nicht ernst nehmen. (Die Männer übrigens auch nicht.) Nicht selten werfen sich Mitarbeiterinnen ganz bewusst einer Führungskraft an den Hals, um berufliche Vorteile zu genießen. Geht gar nicht. Und natürlich gibt es die Biester, die im Job unerträglich sind. Intrigant, fies, herablassend, unkollegial. Soll heißen: Es gibt männliche und weibliche Idioten und Arschlöcher. Negative Gleichberechtigung, sozusagen.

Klischees leben, Klischees verurteilen

Ein weiterer Grund, wieso ich vielleicht keine Vorbild-Feministin bin: Ich weiß genau, dass „typisch Mann“ und „typisch Frau“ völlig überholte Kategorien sind, bei niemandem zu hundert Prozent zutreffen und jeder so leben sollte, wie er/sie will. Und trotzdem rutscht es mir immer mal wieder raus. „So richtig Mädchen“ sage ich dann, oder „Boah, typisch, so sind die Kerle halt.“

Ich gehe eher davon aus, dass ein Mann einen Reifen am Auto wechseln kann, als dass eine Frau diese Aufgabe übernimmt. Und ich finde, dass es okay ist, dass Frauen mehr Geld für Schuhe und Klamotten ausgeben als Männer. Totaler Quatsch, eigentlich. Weiß ich. Aber es steckt in vielen von uns noch drin. Unsere Eltern sind noch viel altmodischer aufgewachsen und haben uns dieses Denken bewusst oder unterbewusst mitgegeben. Und was wir mit der Muttermilch aufgenommen haben, ist gar nicht so leicht aus den Köpfen zu kriegen. Ich weiß, dass ich mit solchen Aussagen altes Klischeedenken unterstütze, weitertrage und verfestige. Aber es passiert, auch wenn man sich immer wieder mit Fragen der Gleichberechtigung auseinandersetzt.

Ich finde: Männer und Frauen sind nicht gleich – und das ist auch gut so

Es gibt noch einen „verbotenen“ Gedanken, der auf einem feministischen Blog eigentlich nichts zu suchen hat: Manchmal fühle ich mich in der Rolle der Klischee-Frau gar nicht so unwohl. Ich habe mich kürzlich mit einer Freundin darüber unterhalten. Sie ist eine coole Socke und extrem zielstrebige Karriere-Frau, die mir diesen Gedanken bestätigte: „Manchmal fühlt es sich doch gut an, einfach nur beschützt zu werden.“

Es ist schön, wenn ein Mann mir in die Jacke hilft, die Tür aufhält oder mich in seine großen, starken Arme schließt. Mir Schutz gibt. Ich glaube nicht, dass das Geschlecht ausschließlich von Umwelt, Erziehung und Gesellschaft geprägt werden. Es gibt nun einmal Geschlechtsmerkmale. Männer haben einen Penis. Frauen eine Vagina. Wir haben unterschiedliche Hormonzusammensetzungen. Männer sind in den meisten Fällen größer und stärker als Frauen. Männer bauen meistens schneller und mehr Muskelmasse auf. Frauen können Kinder bekommen, diese stillen und somit anfangs besser versorgen. Das ist reine Biologie.

Das führt zu manchen Schlussfolgerungen, die meines Erachtens normal sind. Dass eine Frau nach der Geburt eine Weile beruflich kürzer treten möchte, um ihr Kind in Ruhe stillen und sich von der Geburt erholen zu können. Dass ein Mann mehr körperlich anstrengende Arbeiten im Alltag übernimmt. Und ja, leider folgt aus den körperlichen Gegebenheiten auch, dass es im Falle eines Gewaltausbruchs dazu kommt, dass Männer in den meisten Fällen weniger Angst vor Frauen haben müssen als Frauen vor Männern. Dann kann ich sogar ein stückweit verstehen, dass Männer sich dadurch mächtig fühlen – rein körperlich gesehen. Allerdings sind im normalen Alltags- und Berufsleben in den allerwenigsten Fällen körperliche Voraussetzungen entscheidend. (Und Gewalt ist sowieso verboten.) Deshalb ist dieses Machtgefühl falsch. Es eine unglaubliche Ungerechtigkeit und ein Missstand, dass Männer immer noch besser bezahlt werden, häufiger in Führungspositionen sitzen und ernster genommen werden als Frauen. Wir reden hier von Jobs, die wirklich überhaupt nichts mit den hormonellen oder körperlichen Voraussetzungen zu tun haben.

Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine. Ich bin für Gleichberechtigung. Aber nicht für Gleichmacherei. Und ich finde, es ist manchmal ein schmaler Grat, auf dem man als Feministin wandelt. Wo fängt Sexismus an? Dürfen wir überhaupt Klischees bedienen? Bin ich eine miese Feministinnen, weil ich im Auto lieber Beifahrerin bin oder Dinge wie „Awww, wie süüüüß, und dann auch noch in Rosa“ sage? Ist es sexistisch, dass mein Freund bei dem blauen Strampler, den ich für unser ungeborenes Kind gekauft habe, gesagt hat: „Du denkst also, es wird ein Junge“? Verstoße ich gegen sämtliche Feminismus-Regeln, wenn ich andere Feministinnen manchmal nervig finde und weiterhin House of Cards mit Kevin Spacey gucke?

Es ist ein Kampf. Ein gesellschaftlicher, aber auch einer, den jeder Mann und jede Frau immer wieder aufs Neue mit sich persönlich ausfechten muss. Und ich bin bei all diesen Überlegungen zu zwei Ergebnissen gekommen. 1.: Wer reflektieren kann, dass eigene Aussagen oder gewisse Verhaltensweisen Unsinn waren, ist schon mal einen großen Schritt weiter als andere. 2.: Lieber ’ne miese Feministin, als gar keine Feministin.

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