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Deine Produktivität definiert nicht deinen Wert

Ich bin erkältet. Und ich hasse es. Nicht nur, weil der Kopf dröhnt, der Hals kratzt und die Nase verstopft ist, sondern auch, weil ich zur Unproduktivität gezwungen werde. Ich bin zu schwach dafür, hart zu arbeiten, Sport zu machen, die Wohnung zu putzen, aufwendig zu kochen, mich mit Freunden zu treffen oder auszugehen. Und dieses Gefühl, dass der Körper nicht tut, was der Geist will, ist das Schlimmste. Die ersten Tage sind okay. Mal zwei, drei Tage aussetzen, das passt schon. Doch bei mir ist es inzwischen Tag 8. Die gesamte letzte Woche habe ich den Großteil meiner Lebenszeit in der Horizontalen verbracht und nur die wichtigsten Termine, die wirklich, wirklich nicht zu verschieben waren, wahrgenommen. Es sollte mir so langsam besser gehen. Tut es aber nicht.

Nach dem Hoch folgt das Tief

In letzter Zeit sind viele tolle, sehr aufregende Dinge in meinem Leben passiert, die mich alle sehr glücklich machen. Ein fetter Schnupfen sorgt dafür, dass die gute Laune passé ist. Als Schwangere sollte ich doppelt aufpassen, denn dass ein verschleppter grippaler Infekt böse enden kann, weiß jeder von uns. Nun muss ich nicht nur auf mich, sondern auch auf das kleine Lebewesen in meinem Bauch aufpassen. Ja, aawww. Aber auch: Ohhh maaaann.

Es ist eben so: Ohne Tief kein Hoch. Und andersrum. Wer viel Glück hat im Leben, braucht ab und zu einen Dämpfer. Meiner Dämpfer ist eine virale Infektion. Nichts Schlimmes, aber es holt einen mal wieder runter. Auch wenn alles gerade gut läuft – manchmal sorgt eine Krankheit wieder für das Bewusstsein, dass nicht alles im Leben so läuft, wie man sich das vorstellt. Es gibt Dinge, die man nicht beeinflussen kann.

Du bist mehr als das, was du tust

Als ich dann also unter der Decke auf dem Sofa lag und mich hustend durch Instagram wischte, kam mir mal wieder der Spruch „Your productivity doesn’t define your worth“ unter. Und mir wurde bewusst, dass genau da mein Problem liegt. Ich fühle mich gut, wenn ich viel verdiene, viel leiste, viel schaffe. Was für ein Schwachsinn. Eine Freundin von mir entschied sich kürzlich bewusst für ein paar Monate Arbeitslosigkeit, bevor sie sich einen neuen Job suchte. Sie brauchte diese Auszeit. Und ich bewunderte sie. Sie blühte regelrecht auf, sammelte Kraft, ließ die Tage auch mal inhalts- und tatenlos verstreichen und blieb die kluge, gebildete Gesprächspartnerin, die sie immer war – ja, ohne Stress wurde sie sogar noch reflektierter. Ich würde mir in solchen Phasen wahrscheinlich neue „Projekte“ suchen. Eine Sprache lernen, endlich das Buch schreiben, von dem ich schon so lange träume, vielleicht einen Aushilfsjob annehmen, um produktiv zu bleiben. Und ich glaube, den meisten geht es so wie mir. Wir definieren uns viel zu sehr über das, was wir tun, anstatt auf unser Selbst, unseren Charakter und unsere Persönlichkeit (meinetwegen kann man es auch Seele oder "Higher Self" nennen) zu vertrauen. Dabei sollten wir alle ab und zu mal anhalten und uns die Muße gönnen, nichts zu tun und uns selbst neu kennenzulernen.

Ein toller Job und gute Leistungen machen noch keinen tollen Menschen aus dir

Irgendwie war der Satz auf Instagram tröstend. Ich bin immer noch Ich, auch wenn ich gerade eine Pause mache. Ich bin immer noch wertvoll, auch wenn ich gerade durchhänge. Kein Mensch ist wert- oder nutzloser als ein anderer. Ich mag meine Freunde nicht, weil sie coole Jobs und immer eine saubere Wohnung haben. Sonders weil sie mich zum Lachen bringen, weil wir bekloppte Pläne schmieden können, weil sie kluge Ratschläge haben und zuhören, wenn man es gerade braucht. Ob sie den Rest des Tages als Top-Manager eine Firma leiten, Marathon laufen, zuhause die Kinder versorgen oder einfach nur rumgammeln, ändert nichts an unserer Beziehung zueinander. Das sollte jedem von uns bewusst sein, wenn es mal nicht so läuft. Wenn Krankheit, Arbeitslosigkeit oder sonstige Umstände zu einer Phase der Unproduktivität führen, ist das nicht schlimm. Man muss nicht täglich erfolgreich To Do Listen abhaken, um ein toller Mensch zu sein. Daran sollten wir uns alle ab und zu erinnern. Mich eingeschlossen.

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