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Wieso eigentlich nicht?

Fast ein Jahr habe ich nun keinen Blogbeitrag mehr geschrieben. Ein Jahr Stille – das hatte verschiedene Gründe. Da sind zum einen das Leben mit Kindern und die Arbeit. Beides kostet irre viel Zeit, Nerven und Geduld. Meine Kinder sind 2 und 4. Ich sag mal so: Die Stille auf dem Blog hätte ich manchmal auch gern im realen Leben. Grenzen und Triggerpunkte finden die beiden mit verbundenen Augen. Und dann hab ich auch noch diese irre Idee, mich selbst zu verwirklichen und einer Arbeit nachzugehen, die mich erfüllt und herausfordert (und Zeit kostet). Ich schreibe hauptberuflich Bücher. Als Ghostwriterin und Autorin. Das ist großartig, aber passt nicht immer so ganz easy-peasy mit diesen zwei Menschlein (und dem großen Menschen) in meinem Leben unter einen Hut. Und wenn dann noch Krankheiten dazukommen … ach, ich will gar nicht ins Detail gehen. Aber dieses Kartenhaus, von dem immer alle reden, das kenne ich zur Genüge, und ständig pustet und hustet irgendwer dagegen. Für alles von „Kinderklamotten verkaufen“ über „Dachboden ausmisten“ und „Auto saugen“ bis zu „Blogtext schreiben“ bleibt einfach kaum noch Zeit.

Die Suche nach dem Sinn

Ja, ich weiß. Wenn man etwas wirklich will, dann nimmt man sich die Zeit. Dann geht alles, immer, irgendwie. Doch da ist ja noch diese Sinnsuche. Nervt voll. Wäre manchmal gern einfach ein Hund, der sich fröhlich hechelnd auf den nächsten Spaziergang und das Leckerli freut und das Leben abfeiert, so wie es ist. Stattdessen hinterfrage ich ständig alles. Ich denke darüber nach, was ich falsch gemacht habe und was ich anders machen würde. Ich denke darüber nach, wieso Menschen Dinge tun wie Instagram-Postings kreieren, Podcasts starten, Blogs oder Bücher schreiben. Wieso ich vieles davon auch tue, wieso da dieses Sendungsbedürfnis ist. Ganz ehrlich: Ich finde keine Antwort. Auch Matze Hielscher hat dieses Thema kurz im Podcast mit der Psychologin Franka Cerutti angerissen. Sie wussten es beide nicht. Ist das nicht absurd? Die erfolgreichsten Podcaster*innen wissen selbst gar nicht so genau, wieso sie eigentlich podcasten. Noch nicht mal eine Psychologin, die ja schon von Berufs wegen alles hinterfragt.

Das Bedürfnis nach Verbindung und Resonanz

Und damit komme ich der Sache gefühlt dann doch ein Stückchen näher. Denn Franka Cerutti und Matze Hielscher wissen zwar nicht so recht, wieso sie die Öffentlichkeit suchen, sie tun es aber trotzdem. Sie lassen sich nicht von Zweifeln wie „Was soll das eigentlich?“ leiten, sondern machen weiter und merken, dass sie gehört werden. Dass das, was sie tun, Anklang findet. Und vermutlich geht es um dieses menschliche Bedürfnis nach Verbindung. Wenn wir gut schlafen, gut essen, gut verdauen und den Körper fit halten, gehen wir trotzdem kaputt, wenn wir isoliert leben. Weil wir soziale Wesen sind, die andere Menschen brauchen, um lebendig zu sein. Wir möchten und müssen uns verbinden und Resonanz spüren. In uns selbst und in anderen. Selbst wenn diese manchmal negativ ist und wir dadurch an uns zweifeln. Denn durch diese Resonanz und diese Zweifel wachsen wir, sind wieder etwas weitergekommen, haben neue Erkenntnisse entwickelt. Das Ich erfährt sich im Du. Soll heißen: Es geht nicht darum „sich selbst zu finden“, bevor man mit anderen in Verbindung treten kann. Im Gegenteil. Erst durch die Verbindung mit anderen Menschen formen sich immer wieder neue Ausprägungen des Ichs.

Okay, wow. Das klingt nun alles sehr viel philosophischer und komplexer, als ich es geplant hatte. Also, anders gesagt: Ich glaube, man muss nicht immer so ganz genau wissen, was die Strategie, der Sinn oder das Ziel hinter bestimmten Aktivitäten ist. Ich glaube tatsächlich nicht, dass alle, die sich in irgendeiner Form der Öffentlichkeit präsentieren, ausschließlich auf Applaus und Anerkennung aus sind (auch wenn das sicherlich eine Rolle spielt und immer guttut, nette Kommentare sind also immer willkommen, ist klar). Es geht vielmehr um das menschliche Bedürfnis nach Verbindung. Wir tauschen uns gern aus. Auch mit Fremden. Auch im Digitalen. Wir lauschen den Gedanken und Erlebnissen anderer, erzählen und hören gern Geschichten. Wir sind Menschen. Das soll so.

Die Antwort, die keine ist

Ich gebe es also zu: Die lange Stille auf dem Blog war zwar hauptsächlich, aber nicht nur dem Zeitmangel geschuldet. Es war auch die Suche nach dem „Wieso“. Wieso schreibe ich diesen Blog? Wieso sollte das jemand lesen? Wieso setze ich mich dem Risiko aus, böse Kommentare zu bekommen? Nun, eine Antwort habe ich nicht gefunden. Doch mit der Überlegung, dass wir alle nach Verbindungen und Resonanz suchen (als Schreibende und Lesende gleichermaßen), habe ich nun die Gegenfrage gestellt:

Wieso nicht?

 

Okay, das mag nun ziemlich banal klingen. Doch mir hat's geholfen. Denn wenn wir uns bei allem, was wir tun wollen, die Frage stellen würden, wieso, welches Ziel wir damit verfolgen, welcher innere Antreiber dahintersteht, welche kindlichen Prägungen … ach, und so weiter, dann gäbe es vermutlich sehr viel weniger Output. Weil die Sinnsuche Ressourcen kostet und nicht immer ein Ergebnis liefern wird. Und das wäre doch ziemlich langweilig.

Deshalb werde ich versuchen, nicht immer „Wieso?“ zu fragen, und häufiger: „Wieso (eigentlich) nicht?“ Und wenn es darauf keine gute Antwort gibt – ab geht’s. Und vielleicht zeigt sich dann erst im Nachhinein, wofür es gut war. Ich sag’s euch, diese Gegenfrage ist der Knaller. Probiert es mal aus.

Ich muss gar nichts!

Übrigens: Das soll hier niemanden unter Druck setzen. Ihr müsst gar nichts (außer Wasser trinken, schlafen, Steuern zahlen und so, ihr wisst schon). Ich muss auch nicht bloggen, wenn ich keine Lust oder Zeit habe. Wenn ich jetzt wieder ein Jahr lang nichts schreibe, ist das völlig fein. Mein Leben, meine Entscheidung. Darum geht es auch nicht. Ich meine diese Momente, in denen man etwas eigentlich gern tun würde, aber (Selbst-)Zweifel und das ständige Hinterfragen dazu führen, dass man es nicht umsetzt und sich dann hinterher ärgert. In diesem Fall fragt lieber „Warum nicht?“ statt „Warum?“ und seid mutig, geht raus, traut euch. Vielleicht hat die Welt ja doch auf euch gewartet.

 

Disclaimer: Oft gibt es viele Gründe, Dinge nicht zu tun. Wieso sollte ich keinen Text mehr veröffentlichen? Zum Beispiel aus Angst vor Kritik oder aus Angst, Fehler zu machen. In diesem Fall wäre Angst meiner Meinung nach kein guter Ratgeber, weil diese Ängste alle Publizierenden mehr oder weniger in sich tragen, dementsprechend niemand je wieder etwas schreiben würde, und das wäre ein Dilemma. Aber wenn beispielsweise die Angst vor Gewalt besteht, wenn man sich selbst schützen will/muss und deshalb Dinge nicht tut/veröffentlicht, ist das in Ordnung, wichtig, notwendig. Passt auf euch und eure Liebsten auf. Ihr macht das genau richtig.

P.S.: Zugegeben, es war auch nicht nur die „Wieso nicht“-Frage. Ich hab gerade Corona und isoliere mich weitestgehend vom Rest der Familie – das hat mir Zeit verschafft. Covid, du hast diesen Text möglich gemacht.

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