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Macht euch nicht abhängig!

Kürzlich hatte ich eine Diskussion mit einer Freundin über das Thema Gleichberechtigung mit Kind. Ich: dauererkältet, gestresst, genervt. Sie sagte: „Du willst zu viel. Es ist toll, dass du alle Rollen erfüllen willst, Texterin, Mama, Ehefrau, Hausfrau, Freundin, und so weiter. Das ist auch dein gutes Recht. Aber es geht nicht alles. Man kann nicht alles schaffen.“ Und sie fügte hinzu: „Vielleicht solltest du deinen Begriff von Feminismus überdenken. Vielleicht heißt es nicht, Kind und Karriere gleichzeitig schaffen zu müssen, sondern sich frei zu entscheiden. Wenn du sagst: Ich will jetzt zwei Jahre nur Mama sein, dann ist das kein gesellschaftlicher Zwang, sondern deine Entscheidung. Für mich heißt Feministin sein, frei entscheiden zu dürfen. Und wenn ihr als Paar definiert, dass das ‚traditionelle’ Rollenbild für euch gerade am besten passt, ist das völlig in Ordnung.“

Keine Lust auf finanzielle Abhängigkeit

Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ist das so? Ist die freie Entscheidung, sich von einem Mann abhängig zu machen, in Ordnung? Einerseits ruft in mir eine Stimme: „Klar, ist es das! Jede Frau darf so leben und handeln, wie sie will. Jedes Lebensmodell ist richtig, wenn es sich richtig anfühlt.“ Die andere Stimme hält dagegen: „Abhängigkeit ist nie richtig. Egal wie anstrengend es ist, du solltest immer auf eigenen Beinen stehen können. Mach dich niemals abhängig! Nur so kannst du eine gleichberechtigte Ehe führen!

Tatsächlich ist die zweite Stimme in meinem Kopf deutlich lauter. Ich war noch nie in einer Abhängigkeit (außer als Kind, klar). Ich wollte immer das Gefühl haben: Wenn meinem Mann etwas passiert oder wir eines Tages entscheiden, dass diese Ehe enden soll, möchte ich nicht mit nichts dastehen. Wenn ich mehrere Jahre nicht arbeiten würde, wäre ich in meiner Branche raus. Ich hätte ein echtes finanzielles Problem. Darauf habe ich keine Lust. Zudem führt jedes Jahr ohne Erwerbstätigkeit dazu, dass die Rente erheblich sinkt. Gleiches Phänomen übrigens bei Teilzeit-Mamis. Ich bin heilfroh, dass wir als Freelancer beide so flexibel „voll“ arbeiten können. Dass wir nicht an Bürozeiten gebunden sind. Denn sonst ist das mit der Gleichberechtigung noch viel schwieriger. Beide Teilzeit? Zu wenig Geld. Beide Vollzeit? Zu wenig Zeit für’s Kind. Einer Teilzeit, einer Vollzeit? Zack, Abhängigkeit. Mal der eine, mal der andere Voll-/Teilzeit? Macht kein Arbeitgeber mit. Uff. Leute, wie macht ihr das? Resignieren und zugeben, dass es einfach nicht geht? Das kann doch nicht die Lösung sein. Antworten? Habe ich nicht.

Niemand bittet gern um Geld

Zudem glaube ich, dass eine finanzielle Abhängigkeit auch immer mit einer psychischen einher geht. Niemand bittet gern um Geld. Bei mir sieht es so aus: Wenn ich mir noch einen Wintermantel kaufen möchte, nur, weil ich meinen alten nicht mehr ganz so schick finde, kaufe ich ihn mir. Ist schließlich mein Geld. Meine Entscheidung. Wenn ich nicht arbeiten würde, müsste ich entweder meinen Mann fragen, ob er mir Geld dafür gibt, oder das Geld vom gemeinsamen Konto nutzen und mir eventuelle Nachfragen gefallen lassen. Ich glaube, man kann sich an dieses Modell gewöhnen. Ich glaube aber auch, dass dies unterbewusst immer dazu führt, dass man die Beziehung nicht auf absoluter Augenhöhe führen kann und sich die Frau immer von Mann abhängig fühlen wird. Auch in Sachen Altersvorsorge. Was am Ende auch dazu führt, dass die Frau eher bei ihrem Ehemann bleibt, obwohl sie sich vielleicht längst getrennt hätte, wenn diese finanzielle Abhängigkeit nicht gegeben wäre. In diese Situation möchte ich niemals kommen.

Care-Arbeit ist unbezahlt

Ich weiß, dass vielea Frauen, die Hausfrau und Mutter sind, sich nun vor den Kopf gestoßen fühlen. Deshalb will ich eines betonen: Ich bin selbst Mutter und weiß, dass das ein Vollzeitjob ist. Dass wir nie Feierabend haben. Dass Mutterschaft der vielleicht schönste, aber auch krasseste, anstrengendste und forderndste Job ist, den man haben kann. Wenn ich meinen Knirps bei mir habe, braucht der meine volle Aufmerksamkeit. Wenn Mamis mit mehreren Kindern auch noch den Haushalt wuppen und Essen für alle kochen, frage ich mich, wie sie das schaffen – mein Mann ist da zum Glück mit am Start. Das Problem: Kindererziehung und Hausarbeit sind unbezahlt. Viele arbeitenden Mamas sagen, dass der Tag im Büro viel entspannter als die Zeit mit Kind ist. Ändert aber nichts an der Tatsache. Es gibt kein Geld dafür, zuhause zu bleiben.

Gleichberechtigung ist anstrengend. Und wichtig.

Ich werde weiterarbeiten. Auch, wenn es verdammt anstrengend ist, sich zu organisieren. Auch, wenn sich manchmal das Job-Kind-Konstrukt nach einem Kartenhaus anfühlt, das beim kleinsten Windstoß zusammenklappen kann. Vielleicht würde ich beim zweiten Kind eine längere Elternzeit nutzen. Solange man Elterngeld bekommt, käme man im Notfall auch allein über die Runden. (Ich habe beim ersten Kind vier Monaten nach der Geburt wieder Aufträge angenommen.) Und dieses eine Jahr nach der Geburt ist bei Arbeitgebern inzwischen so bekannt, dass man auch als Freelancer – wenn man sich ausreichend weiterbildet und informiert – noch nicht aus dem Rennen ist. Als Festangestellte sowieso nicht, da hat man die Sicherheit, zurückkehren zu können. Ich glaube einfach, dass man sich sehr genau überlegen sollte, wann, wie lange und in welcher Art und Weise man sich in eine Form der Abhängigkeit begibt. Und sich alle Eventualitäten überlegen sollte.

„Wir kommen finanziell gut über die Runden, wenn nur mein Mann verdient, und deshalb entscheide ich mich bewusst dafür, zuhause bei den Kids zu bleiben.“ – Diese Aussage finde ich tatsächlich aus feministischer Sicht problematisch. Wer sich so gut absichert, dass sämtliche mögliche Konsequenzen (Trennung, Unfall, Tod des Partners) durchdacht und finanziell langfristig (nicht nur für ein Jahr!) abgesichert sind, okay. Wer sowieso durch eine Erbschaft oder sonstwas reich ist und ausgesorgt hat, bitteschön. Alle anderen: Denkt bitte genau drüber nach und macht es nicht aus Bequemlichkeit.

Gleichberechtigung ist (gerade am Anfang) scheißanstrengend. Man diskutiert, streitet, handelt alle paar Tage alles neu aus wer wann was machen darf und soll, wiegt auf, obwohl man das nicht will, redet dem Partner ein schlechtes Gewissen ein, hat selbst ständig eins. Das ist so. Das ist normal. Aber langfristig ist es meiner Meinung nach die bessere Entscheidung. (Und eine gute Papa-Kind-Bindung ist ein fantastischer Nebeneffekt.)

 

P.S.: Beziehungen müssen nicht zerbrechen, Unfälle müssen nicht passieren. Klar. Am Anfang fühlt sich alles richtig und gut an. Aber es geht auch darum, was in 10, 15 Jahren ist. Etwa jede zweite Ehe wird geschieden. Die große Liebe kann sich verändern. Und ich möchte nicht, dass meine guten Freundinnen mich heulend anrufen und sagen, dass sie längst gegangen wären, sich eine Trennung aber nicht leisten können.

 

P.P.S.: Da immer noch in den meisten Beziehungen der Mann mehr verdient, sad but true, habe ich meinen Text so geschrieben, dass die Frau sich in die Abhängigkeit des Mannes begibt. Natürlich gilt das auch andersrum. Ich finde es genauso problematisch, wenn ein Mann jahrelang als Hausmann und Vater zuhause bleibt und sich in die Abhängigkeit der Frau begibt.

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