· 

Wie zur Hölle kann man eine Schwangerschaft 12 Wochen lang nicht bemerken?

Diese Frage bekomme ich immer wieder gestellt – oder höre sie zumindest zwischen den Zeilen in der Reaktion: „Wie … was … oh … krass.“

Immer wieder die gleichen Fragen: Frauen bekommen doch ihre Periode, da merkt man doch, wenn die ausbleibt! Was ist mit der Übelkeit? Dem Brustspannen? Da wächst doch auch schon der Bauch, gerade beim dritten Kind, oder?

 

Und ich konnte es ja selbst kaum glauben, als ich am 7. November 2023 erst einen positiven Schwangerschaftstest und später am Tag ein Ultraschallbild in den Händen hielt. Ich war doch schon zweimal schwanger gewesen. Wieso vergingen vier Monate, bis ich überhaupt den Verdacht hatte?

 

In diesem Blogartikel teile ich meine Geschichte – die auch für mich immer noch kaum zu fassen ist.

Zyklusbeschwerden

Es war irgendwann Anfang 2023, als ich einen Termin bei meiner Gynäkologin hatte und ihr mein Leid klagte. Ich verhütete seit fast zwei Jahren mit der Kupferspirale, die zwar funktionierte, aber auch zu langen Blutungen und immer stärker werdenden Zyklusbeschwerden führte. Stimmungsschwankungen, PMS, Kreislaufprobleme. „Sie haben mit zwei kleinen Kindern einen anstrengenden Alltag, unterschätzen Sie das nicht“, sagte meine Ärztin. Und: „Für mich klingt das immer noch nach normalen hormonellen Schwankungen. Wenn Sie das wirklich nicht mehr ertragen, können Sie natürlich jederzeit die Pille nehmen, zusätzlich zur Spirale. Das bügelt die Hormone glatt.“

Ich zögerte, hatte ich mich doch sehr bewusst gegen eine hormonelle Verhütung entschieden. In mir sträubte sich alles dagegen, täglich Hormone einzunehmen, ich wollte meinen Körper eigentlich machen lassen, nichts künstlich glattbügeln. Ich nahm das Rezept für eine niedrig dosierte Minipille („Stillpille“) mit, sagte aber, dass ich noch abwarten würde.

Es wurde immer schlimmer

Ich legte die Pille in den Schrank und ließ sie monatelang dort liegen. Versuchte es mit Mönchspfeffer und Yoga, mit Meditation und Nahrungsergänzungsmitteln. Doch die Beschwerden wurden nicht besser. In den 1-2 Wochen vor meiner Periode wurde mir nun auch noch regelmäßig übel – alles sehr unangenehm. Im Juli saß ich zum ersten Mal bei der Hausärztin, um auch ihre Meinung zu hören. Sie schob es auf Nachwirkungen einer vergangenen Durchfallerkrankung, die auch Wochen nach dem Infekt noch Beschwerden machen könnte. Zudem ließ sie ein Blutbild erstellen. Ein leichter Eisenmangel, sonst nichts.

Als wir im August in Österreich waren, hatte ich zu Beginn des Urlaubs noch meine Periode, sehr stark, sehr lang, sehr erschöpfend. Bei einer Wanderung hüpfte mein damals 4-jähriger Sohn den Berg hinauf, während mir fast schwarz vor Augen wurde. Zum Glück war es nach einigen Tagen überstanden und wir konnten den Urlaub noch genießen. Als wir zurück zuhause waren, begannen wieder die Beschwerden – übler als je zuvor. Mir war kotzübel, ich musste Verabredungen absagen, lag weinend auf der Couch. Dabei waren es doch noch gut acht Tage bis Periodenbeginn. Ich schimpfte, kämpfte und beschloss: Das muss ich nicht mehr aushalten. Ich fange jetzt mit der Pille an.

Hormone, Hormone

Als pünktlich wie immer meine Periode kam, begann ich also, die Pille zu nehmen. Am 2. September war das. Schon am nächsten Tag ebbte die Blutung ab. Die Minipille wird durchgenommen, das heißt, es gibt keine Blutung mehr – ich hoffte sehr, dass sich nun endlich alles verbessern würde. Meine Brüste spannten extrem in den ersten zwei, drei Wochen der Pille. Na ja, dachte ich, Hormonumstellung halt.

 

Zwar blutete ich nicht mehr, doch die Beschwerden gingen nicht weg. Ich saß bei meiner Hausärztin, zum zweiten Mal. Sie war ratlos, ich sollte ein Ernährungstagebuch führen, machte immer neue Termine, doch es wurde einfach nicht besser. Ich aß mehr Gemüse, lebte zwei Wochen testweise laktosefrei, reduzierte meine Zwischenmahlzeiten, vermied Kohlensäure, probierte alles aus. Zeitweise dachte ich, dass es aufwärts ging, doch dann folgten wieder beschissene Tage. Ich machte Termine für Unverträglichkeitstests (Laktose, Fruktose, Sorbit), allerdings bekam ich erst im November Termine. Zudem überwies mich meine Hausärztin an einen Gastroenterologen. Magen- und Darmspiegelung seien bei den unspezifischen Symptomen sicherlich angebracht. Wie üblich musste ich auch auf diesen Facharzt-Termin zwei Monate warten und litt bis dahin vor mich hin. Ich googelte Autoimmunerkrankungen, Endometriose, Reizdarmsyndrom. Auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober saß ich heulend am Rand des Messegeländes, nachdem mich Bauchkrämpfe und Durchfall völlig fertig gemacht hatten. Mein Kreislauf war mal wieder im Eimer. Was zur Hölle war nur mit meinem Körper los?

Auszeit in Sankt Peter Ording

Nach einer Buchabgabe gönnte ich mir vom 4. bis zum 7. November eine Auszeit in Sankt Peter Ording, zum Abschalten, Entspannen, aber auch zum Schreiben. Ganz allein. Mein Mann hatte die Hoffnung, dass auch meine Symptome durch die Entspannung abebben würden. Und auch wenn ich nicht glaubte, dass alles psychisch war, ging es mir dort etwas besser. Die Übelkeit war nicht mehr ganz so präsent, mein Magen-Darm-Trakt war manchmal über Stunden zufrieden.

Dennoch bereitete ich mich intensiv auf den Termin beim Gastroenterologen vor, der am 9. November stattfinden sollte. Ich fieberte richtig darauf hin, endlich mit einem Experten zu sprechen, endlich Hilfe zu bekommen, und schrieb alles auf: Wann welche Beschwerden losgingen, was die Hauptprobleme waren, dass die Kreislauf- und Übelkeitsbeschwerden meist völlig aus dem Nichts kamen. Dass ich manchmal nach einem Essen litt, das ich ein anderes Mal super vertrug.

Ich saß auf dem Bett und tippte: „Übelkeit seit einigen Tagen etwas besser“ und „Vermehrter Harndrang seit einigen Tagen“. Dann runzelte ich die Stirn. Der Typ wird denken, dass ich schwanger bin. Mit Kupferspirale und Minipille, die ich ja nun auch schon seit zwei Monaten nahm, ein Ding der Unmöglichkeit. Dennoch wollte ich auf diesen Termin perfekt vorbereitet sein und nahm bei Rossmann noch schnell einen Schwangerschaftstest mit, einfach pro forma, um dem Arzt sagen zu können: Ich kann zwar nicht schwanger sein, ich hab aber sogar einen Test gemacht. Als Ausschlusskriterium.

„Wird eh nichts sein, aber als Frau muss man das ja doch immer mitdenken“, schrieb ich meiner besten Freundin. Sie war aufgeregt. Ich nicht.

Zwei. Verdammte. Striche.

Am nächsten Morgen pinkelte ich brav auf das Teststäbchen und war gedanklich schon ganz woanders. Dann schaute ich nach unten.

NEIN.

Was … wie … das konnte doch nicht –

Wir alle kennen es inzwischen, wenn man Covid hat und der „Positiv-Strich“ auf dem Test schon vor dem Kontrollstrich erscheint. Das passierte bei diesem Schwangerschaftstest, quasi noch während ich diesen in die Toilette hielt. Positiv. Schwanger. Zwei dicke, fette Striche.

Ich riss die Anleitung wieder aus dem Badezimmer-Mülleimer. Ja, da stand es. Zwei Striche bedeuteten positiv, schwanger. Ich starrte auf den Test, setzte mich in meinem rosafarbenen Schlafanzug auf den Badezimmerboden des Hotels und sprach mit mir selbst.

Das kann nicht sein, nein, nein. Das ist … ich verhüte doch. Doppelt. Das – NEIN.

Ich hatte bestimmt falsch auf den Test gepinkelt.

Ich googelte.

Okay. Atmen. Atmen. Atmen.

Ich wollte meinen Mann anrufen, doch es war 7:50 Uhr, er war allein mit zwei Kita-Kindern, da hatte er in diesem Moment keinen Kopf und keine Zeit für diese Nachricht, ich wusste ja, was morgens bei uns abging. „Ruf mich mal an, wenn die Kids in der Kita sind“, schrieb ich.

Ich rief dann meine beste Freundin an, sagte irgendetwas davon, dass es bestimmt eine Eileiterschwangerschaft sei, das käme doch bei der Spirale manchmal vor, oder? ODER?

Sie sagte, das könne gefährlich sein, ich sollte sofort meine Gynäkologin anrufen, was ich daraufhin tat.

Aufruhr in der Praxis. Mit Spirale und Pille? Das wäre ja … also … „Kommen Sie heute erstmal vorbei, wir schauen uns das an.“

Ich ging frühstücken. Ich hatte Hunger, trotz allem. Beim Frühstück saß am Tisch neben mir eine Mutter mit Baby. Ich drehte mich schnell weg, damit sie meine Tränen nicht sah.

Sieben Zentimeter Leben

Einige Stunden später war alles klar.

Ich war schwanger. Keine Eileiterschwangerschaft.

„Wie kann das sein?“ hatte ich meine Gynäkologin gefragt.

„Shit happens“, hatte sie geantwortet, und errechnet, dass das Kind vermutlich wenige Tage vor Beginn der Pilleneinnahme gezeugt wurde. Ende August. Nun war November. Die Blutung Anfang September war möglicherweise eine Einnistungsblutung, oder entsprach dem seltsamen Phänomen, dass Frauen bei unbemerkten Schwangerschaften weiterhin ihre Periode bekamen.

Die Spirale konnte sie nicht mehr ziehen. „Das Kind ist schon zu groß und das Köpfchen liegt davor“, sagte sie. Ich heulte. Zu groß?!

Köpfchen, Kind, 7 Zentimeter, 13. Woche, hämmerte es in meinem Kopf, und: „Wir sprechen hier nicht mehr von der Frühschwangerschaft.“

Sie gab mir einen Abend Bedenkzeit. „Wenn Sie sich dagegen entscheiden, müssen wir sehr schnell sein. Dann müssen wir den Prozess morgen starten. Sprechen Sie mit ihrem Mann und überlegen Sie es sich.“

 

Wir entschieden uns gegen ein Nein. Ich konnte nicht. Ich wollte zwar kein drittes Kind, aber ich konnte nicht Nein sagen. Ich hatte das Baby gesehen, mit Armen und Beinen, auf dem Ultraschall, 7 Zentimeter groß. Es war ein Wunder, das war es wirklich. Ein Wunderkind. Das sich gegen alles durchgesetzt hatte. Gegen die Pille, gegen die Spirale, gegen meine hundertprozentige Überzeugung, mit der Familienplanung durch zu sein, gegen ein gelegentliches Glas Wein. Ich hatte in den letzten Wochen Nasenspray benutzt und Schmerzmittel genommen, hatte noch in SPO Rotwein getrunken und Camembert gegessen. Dem Kleinen war all das egal gewesen. Er war da. Und wie er da war.

Rückblickend ist alles so logisch

Nur wenige Tage später ging plötzlich meine Jeans nicht mehr zu. Der Einfluss der Psyche ist doch spannend. Manchmal frage ich mich, was passiert wäre, wenn ich den Test nicht gemacht hätte. Wann wäre es rausgekommen? Hätte der Gastroenterologe geschallt und das Baby gesehen? Hätte ich es noch wochenlang verdrängt? Wäre der Bauch nicht oder anders gewachsen, wenn ich es nicht gewusst hätte? Hätte ich eine Fehlgeburt gehabt? Wäre ich eine von denen gewesen, die bis zum Ende unbemerkt schwanger sind, irgendwann Wehen bekommen und denken, es ist der Blinddarm? Ich werde es nie erfahren.

 

Wirklich absurd ist der Blick zurück:

 

Die spannenden Brüste Anfang September, die ich auf den Start der Pille geschoben hatte.

Kreislaufprobleme und Übelkeit aus dem Nichts.

Extreme Erschöpfung und Müdigkeit.

Blähbauch, immer wieder.

Bauchschmerzen, Krämpfe.

Die reduzierte Übelkeit in SPO, weil die 12 Wochen bereits vorbei waren.

 

Ich hatte zeitweise wirklich Angst, schwer krank zu sein. Dabei war ich die ganze Zeit „nur“ schwanger. Es ist eine dieser Geschichten, die man von anderen hört und ungläubig weitererzählt. Nur bin ich in diesem Fall selbst die Geschichte. Ich häng da drin. Im Mai kommt unser Sohn zur Welt und wird unser Leben nochmal auf den Kopf stellen. Ob ich inzwischen vorfreudig und glücklich bin? Nein. Aber ich weiß, dass es schon alles irgendwann gut werden wird. Dass da ein Kind kommen wird, das ich genauso lieben werde wie die anderen beiden.

„Irgendwann wird der Moment kommen, in dem du deine Familie anschaust und sagst: Es sollte so sein und es ist genau richtig so, wie es ist. Und der Kleinste füllt eine Lücke, von du gar nicht wusstest, dass sie da ist“, sagte meine Hebamme neulich. „Und bis es so weit ist, ist es auch völlig in Ordnung, mit der Situation überfordert zu sein.“

 

Ich bin inzwischen kugelrund und sitze seit November in einer emotionalen Achterbahn. Manchmal bin ich genervt. Manchmal von diesem Wunder überwältigt. Und meistens bin ich immer noch fassungslos, wie schnell sich das ganze Leben ändern kann.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0